Nicolas Poussin |
Nicolas Poussin (* Juni 1594 in Les Andelys (Normandie); † 19. November 1665 in Rom), war ein Maler des Barock-Klassizismus.
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Leben und Werk
Poussin wurde als Sohn eines verarmten Landedelmanns und ehemaligen Soldaten der königlichen Armee geboren. Ausgebildet als Maler wurde er zwischen 1612 und 1621 in Rouen und Paris. Frühe künstlerische Anregungen erhielt er durch Kenntnis von Werken der Schule von Fontainebleau. Einen ersten größeren Auftrag bekam er 1622 im Zuge der Ausstattung des Palais du Luxembourg in Paris, wo er mit Philippe de Champaigne zusammen arbeitete.
In Paris lernte er den Dichter Marino kennen, der ihn für die griechische und römische Mythologie, insbesondere für die Metamorphosen Ovids interessierte. Poussin illustrierte Marinos Epos über Venus und Adonis mit Zeichnungen.
Die ersten Jahre in Rom
1624 ging er nach Rom, wo ihn Marino dem Kardinal Giulio Sacchetti empfahl, der ihn an Francesco Barberini, den Neffen Papst Urban VIII., weitervermittelte. Er lernte die Maler Jacques Stella und Claude Lorrain kennen, Cassiano dal Pozzo, den Sekretär Kardinal Barberinis und den deutschen Maler und Schriftsteller Joachim Sandrart, der später über ihn berichten sollte. In Rom studierte er neben Werken Tizians und Raffaels antike Kunstwerke, die ihm auch in dal Pozzos Sammlung und Archiv zur Verfügung standen. 1630 heiratet er Anne Marie Dughet, die Tochter eines französischen Kochs in Rom.
Als Maler hatte Poussin zunächst große Schwierigkeiten, in Rom Fuß zu fassen, da die meisten Aufträge des Papstes und der Adelsfamilien an die etablierten Italiener wie Guido Reni, Pietro da Cortona oder die Carracci gingen. 1627 erhielt er auf Empfehlung Gian Lorenzo Berninis und durch Vermittlung Kardinal Barberinis, für den er gerade das Bild Tod des Germanicus gemalt hatte, einen wichtigen öffentlichen Auftrag, ein großes Altarbild mit dem Martyrium des Heiligen Erasmus für St. Peter. Das Bild fand jedoch wenig öffentliche Anerkennung und hatte keine weiteren Aufträge für Altarbilder zur Folge. 1631 wurde er in die Accademia di San Luca aufgenommen.
In der Folge konzentrierte er sich auf Bilder in kleineren Formaten mit religiösen, mythologischen und historischen Themen, die bald die Wertschätzung privater Sammler fanden. Als Vermittler zwischen Poussin und kunstinteressierten Käufern war sein Freund und Förderer dal Pozzo tätig. 1638 erhielt er von dal Pozzo den Auftrag für eine Serie von Bildern über die sieben Sakramente, an denen er vier Jahre lang arbeitete. Für dal Pozzo fertigte Poussin Illustrationen für Leonardos sogenanntes Malerei-Traktat an, das für den Druck vorbereitet worden war, das aber erst 1651 in einer italienischen und in einer französischen Fassung veröffentlicht wurde. |
Rückkehr nach Paris
1641 kehrte Poussin auf Wunsch des französischen Königs Ludwig XIII. und auf massiven Druck Richelieus widerstrebend nach Paris zurück, nachdem er mehrmals um Aufschub gebeten hatte. Der König ernannte ihn zum Direktor der Ausstattung der königlichen Bauten und beauftragte ihn mit der Ausmalung der Grande Salle im Louvre und mit Entwürfen für die Teppichweberei. Für den Kardinal malte er das allegorische Bild Die Zeit entzieht die Wahrheit den Angriffen des Neides. In Paris kam es bald zu Spannungen zwischen Poussin und den etablierten Künstlern. Poussin konnte sich mit seiner Rolle und seinen Aufgaben am königlichen Hof nicht anfreunden. Bereits im Herbst 1642 verließ er Paris und kehrte für immer nach Rom zurück. Am 4. Dezember 1642 starb Richelieu, 1643 der König, und Poussin konnte ab jetzt unbehelligt nach seinen eigenen Vorstellungen in Rom arbeiten.
Rom
Zurück in Rom, konzentrierte er sich wieder auf Bilder in kleineren Formaten mit ihren religiösen und mythologischen Themen, wobei er sein Interesse im Laufe der Zeit vermehrt mythologisch aufgeladenen Landschaftsbildern zuwendete. Abnehmer dieser Bilder war zunächst ein kleiner Kreis gebildeter römischer Kunstliebhaber, die sich mit dem Studium der Antike beschäftigten. Zu diesen Römer Mäzenen gehörten unter anderem Antonio Rospigliosi, der spätere Papst Clemens VII., der Kanzler des Papstes Gian Maria Roscioli, die französischen Botschafter am Vatikan, Duc de Créqui und Henri Valencay. Durch Vermittlung dal Pozzos, dehnte sich der Kreis seiner Mäzene seit den späten dreißiger Jahren nach Paris aus, wo er neben seinem alten Freund und Förderer Fréart de Chanteloup in dem Bankier Jean Pointel einen eifrigen und finanzkräftigen Mäzen fand. Pointel besaß mehr als 20 Bilder Poussins. Von 1639 und 1640 stammen seine beiden Selbstbildnisse, die er für seine Mäzene dal Pozzo und Pointel gemalt hat. Zwischen 1643 und 1648 malte er eine zweite Serie über die sieben Sakramente für Chanteloup.
Der Tod Urbans im Jahre 1644 und die Flucht der Nepoten nach Frankreich hatte auch für Poussin Folgen. Dal Pozzo hatte seine Stellung und damit auch Einfluss und wichtige Kontakte verloren. In der Folge malte Poussin fast ausschließlich für seine reichen französischen Auftraggeber, wie Pointel, Cérisier und Reynon.
In seinen letzten Lebensjahren wendete er sich neben den mythologischen Bildern vermehrt religiösen Themen zu. Höhepunkt seiner letzten Schaffensperiode ist die Folge der Vier Jahreszeiten, deren vieldeutige und vielschichtige Ikonographie die Phantasie der Interpreten immer wieder herausgefordert hat. Poussin starb am 19. November 1665 und wurde in der Kirche San Lorenzo in Lucina beigesetzt. Das Grabmal wurde dort 1830 nach einem Entwurf von Léon Vaudoyer errichtet. Die Büste Poussins stammt von Paul Lemoyne. Das Relief auf dem Grabmal hat Louis Desprez nach einem seiner berühmtesten Bilder, Et in Arcadia ego, gestaltet. |
Maler des Barock-Klassizismus
Die Einordnung von Poussins Werk in ein kunstgeschichtliches Schema ist schwierig. Seine Arbeitsphase war zwar zeitgleich mit der Blüte des römischen Barock, seine Bilder unterscheiden sich jedoch wesentlich, sowohl formal, d.h. im Bildaufbau und in der Farbkomposition, als auch in ihrer Funktion und in ihrem Maß von den barocken Bildern für den öffentlichen Raum. Bedienten die Barockmaler das Bedürfnis der Auftraggeber nach Repräsentation und politischer und religiöser Propaganda, so waren Poussins Arbeiten gedacht und gemalt für die privaten ästhetischen, intellektuellen und künstlerischen Bedürfnisse von Sammlern und Kennern.
Zwar nahm Poussin Anregungen Domenichinos, der Carracci oder Tizians auf, von ausschlaggebender Bedeutung für seine künstlerische Entwicklung und seine künstlerischen Ziele war jedoch seine Auseinandersetzung mit Raffael und mit der Kunst der Antike. Durch den Kontakt mit dal Pozzo hatte er überdies Zugang zu den neuesten Kenntnissen über das frühe Christentum, wie sie durch Antonio Bosios Buch Roma sotteranea, das die frühchristlichen Funde aus römischen Katakomben dokumentiert, belegt wurden. Die Sorgfalt seines Studiums antiker schriftlicher und bildlicher Quellen schlug sich nieder sowohl im Aufbau seiner Bilder - der Ähnlichkeit mit Reliefs auf antiken Sarkophagen beispielsweise -, in Form und Komposition der Figuren, als auch in der historischen Detailgenauigkeit von Architektur, Kleidung, Waffen und sonstigem Gerät. Die Klarheit des Bildaufbaus und der Komposition der Figuren im Bild wird unterstrichen durch Poussins Vorliebe für reine und unvermischte Lokalfarben, die seinen Bildern eine intensive und leuchtende Farbigkeit verleihen.
Sein Wirken in der Zeit des Barock bei gleichzeitiger Orientierung an der Kunst der Antike brachten ihm die Bezeichnung eines Malers des Barock-Klassizismus ein.
Die Modustheorie
Poussin hat sich immer wieder im Laufe seines Lebens mit kunsttheoretischen Fragen auseinandergesetzt. Außer Leonardos Traktat, das er schon wegen der gewünschten Illustrationen genau kannte, war ihm wahrscheinlich auch die Sammlung von Schriften zur Malerei, die der Theatinermönch Zaccolini verfasst hatte, bekannt. Zaccolini befasst sich mit den Problemen von Licht und Schatten und handelt eine Reihe von optischen Themen ab.
Von Poussin selbst gibt es, was die Kunsttheorie betrifft, nur seine Aussagen über die verschiedenen Modi der Malerei, die er in einem Brief an Chanteloup niedergeschrieben hat. Er zieht hier Parallelen zu musiktheoretischen Überlegungen antiker Autoren zum Charakter der verschiedenen Tonarten, denen unterschiedliche Stimmungen und Affekte, die sie beim Hörer hervorrufen, zugeschrieben werden. Poussin hat diese Gedanken nie weiter schriftlich vertieft oder im einzelnen mitgeteilt, was er genau meint. In der Folge haben sich Maler und Kunsttheoretiker immer wieder mit der Modustheorie Poussins auseinandergesetzt. In Abwandlungen ist sie in die Decorum-Debatte der Kunsttheorie des 18. Jahrhunderts eingegangen, in der es um den Zusammenhang und die Schicklichkeit zwischen Thema und Darstellungsmodus von Bildern ging.
Poussin stellte seine mythologischen, allegorischen oder religiösen Themen vor Architekturkulissen oder in idealisierten, später als "heroisch" bezeichneten Landschaften dar. Seine szenischen Kompositionen entwickelte er anhand von Wachsmodellen, die er in einen Guckkasten stellte. Vielfach wurde Poussin als rationaler Maler betrachtet, sozusagen als Pendant zu Descartes in den bildenden Künsten. Geprägt war er vom Neo-Stoizismus, dessen Gedanken über Tod und Weisheit er seinen religiösen Darstellungen, seinen Landschaften und Mythologien unterlegte.
Werke (Auswahl)
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Literatur
Quellen
- Poussin, Nicolas: Lettres. Publiés avec une introduction par Pierre de Colombier. Paris 1929.
Poussin in der Literatur
- Honoré de Balzac: Le Chef-d'Oeuvre Inconnu; deutsch: Das unbekannte/ungekannte Meisterwerk.
Im Paris des Jahres 1612 trifft der junge Nicolas Poussin auf die Maler Porbus d.J. und Frenhofer. Letzterer ist auf der Suche nach der perfekten Frau, mit der er sein Meisterwerk, die "Belle Noiseuse" vergleichen will, an dem er 10 Jahre gearbeitet hat und das er immer noch nicht vollendet hat. Poussin bietet ihm seine geliebte Gilette an, die widerwillig zustimmt. Frenhofer vergleicht sein Gemälde mit Gilette und kommt zu dem Urteil: die "Belle Noiseuse" ist so vollkommen, dass sie von einer echten Frau nicht zu unterscheiden ist. Als Poussin und Porbus das Bild selbst betrachten, erkennen sie nur ein Gewirr aus Linien und Farbschichten. Poussin weist Frenhofer darauf hin, worauf dieser merkt, dass er einer Selbsttäuschung erlegen ist und seine Werke noch in der selben Nacht verbrennt und stirbt.
Sein Bild Die Hirten von Arkadien spielt eine Rolle in den Grals-Mythologien der Autoren Baigent und Leigh.
Sekundärliteratur
- Kurt Badt: Kunst des Nicolas Poussin. DuMont Schauberg, Köln 1969
- Oskar Bätschmann: Dialektik der Malerei von Nicolas Poussin. Prestel, München 1982, ISBN 3-7913-0591-3
- Anthony Blunt: Drawings of Poussin. Yale University Press, New Haven 1979, ISBN 0-300-01971-8
- Elizabeth Cropper, Charles Dempsey: Nicolas Poussin. Friendship and the Love of Painting. Princeton NJ 1996
- Otto Grautoff: Nicolas Poussins Jugendjahre. Bern 1914
- Otto Grauthoff: Nicolas Poussin: sein Werk und sein Leben. 2 Bände, München 1914
- Peter Joch: Methode und Inhalt. Momente von künstlerischer Selbstreferenz im Werk von Nicolas Poussin. Kovac, Hamburg 2003, ISBN 3-8300-0999-2
- Annegret Kayling: Poussins Kunstauffassung im Kontext der Philosophie. Eine Interpretation des Louvreselbstbildnisses unter Berücksichtigung seiner Briefe und seines Oeuvre. Dissertation, Philipps-Universität Marburg, 2002 (Volltext)
- Henry Keazor: Poussins Parerga. Quellen, Entwicklung und Bedeutung der Kleinkompositionen in den Gemälden Nicolas Poussins. Schnell & Steiner, Regensburg 1998, ISBN: 3795411467
- Pierre Rosenberg, Louis-Antoine Prat: Nicolas Poussin. 1594-1665. Catalogue raisonnée des dessins. 2 Bände. Milano 1994
- Jacques Thuillier: Nicolas Poussin. Flammarion, Paris 1994, ISBN 2-08-012513-3
- Christopher Wright: Poussin. Gemälde. Ein kritisches Werkverzeichnis. Arcos, Landshut 1989, IBSN 3-9802205-1-6
Web-Links
Commons: Nicolas Poussin – Bilder, Videos und Audiodateien |
- Web Gallery of Art
- Literatur von und über Nicolas Poussin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Aufsatz von David Freedberg über die Modustheorie (englisch)
- Seine Briefe bei der französischen Nationalbibliothek